Samstag, 12. Dezember 2015

Grenzbetrieb Wegscheid - Teil I

Um 10 Uhr werde ich erwartet. Mein Weg führt mich heute nach Wegscheid/Hanging an der deutsch-österreichischen Grenze. Der meist frequentierte Grenzübergang im Umkreis Passaus. Alles ist schon mehrere hundert Meter vor dem Lager abgesperrt und mit reichlich Polizei abgesichert. Mein Auto wird zweimal an der jeweils nächsten Polizeikontrolle per Walkie-Talkie angekündigt und ich rolle im Schritttempo in Richtung der sich vor mir auftürmenden Zeltlandschaft.

Als erstes werde ich im Kleiderzelt gebraucht. Ein Zelt ist für die Erwachsenenkleidung, ein kleinerer Container für die Kindersachen und einer für Schuhe vorgesehen. Es wird langsam kalt bei uns und deshalb greifen die Menschen auch zuerst zu den dicken Jacken und Pullis. Doch die Strapazen der letzten Wochen und Monate haben die Geflüchteten dünn werden lassen und gerade die Männer haben Schwierigkeiten in der Auswahl an XL oder XXL etwas Passendes zu finden. Alle sehen es mit Humor. Einer sagt zu mir gewandt, „Germany, they are biiiig“, und lacht. Ich muss auch lachen und denke sofort an eine gesellige Wirtshausstube mit Bier, Schweinshax’n und Knödl. Ja, dem ein oder anderen würde ein Bierbauch bestimmt gut stehen. Etwas zieht an meinem Jackenärmel und ich höre ein „Sorry Ma’m, shoes please?“ Ich sehe an ihm hinunter. Mich schüttelt es alleine beim hinsehen - der arme Kerl trägt durchgelaufene Flip-Flops. Und ich stehe da mit zwei Pullis, Jacke, Schal, Jeans und Winterstiefel... Der Schuhcontainer gab leider nicht allzu viel her, da, laut einer weiteren Helferin, dieser junge Mann nicht der Einzige sei, der seine Flucht in Flip Flops antreten musste. Gängige Schuhgrößen für Männer waren alle vergriffen. Ähnlich geht es die nächsten zwei Stunden weiter. Männer, Frauen, und dutzende kleine Kinder bis hin zu Neugeborenen brauchen neue und warme Kleidung. Es wird angezogen, ausgezogen, anprobiert und gerade die Kleinsten tragen oftmals vor Dreck starrende Klamotten und ich bin richtig erleichtert ihnen frische Sachen anziehen zu können...



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