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...Gegen Mittag wurde das Kleiderzelt geschlossen, denn die Essensausgabe sollte bald losgehen. Es wurden sechs neue Busse mit hungrigen Passagieren erwartet.
...Gegen Mittag wurde das Kleiderzelt geschlossen, denn die Essensausgabe sollte bald losgehen. Es wurden sechs neue Busse mit hungrigen Passagieren erwartet.
Ich
machte mich auf den Weg zum Hauptzelt und fand mich vor Unmengen an Kisten mit
Bananen, hoch aufgestapelte Europaletten mit Wasserflaschen und einem Container
mit Einwegdecken wieder.
Das
Hauptzelt bestand aus zwei Teilen. Der hintere Teil wurde zu einer Küche und
Aufbewahrungsstätte umfunktioniert. Zwei Männer und eine Frau standen mit
überdimensionalen Kochlöffeln vor dampfenden, brusthohen Kochbehältern – heute
sollte es Gemüseeintopf geben. Die Essensausgabe begann kurze Zeit später und
die Helfer*innen standen getreu einer Löschkette nebeneinander und jeder übernahm
einen Teil der Ausgabe: Chai Tee – Löffel – Eintopf – Brot – Banane – Wasser.
Ich
war für die Bananenausgabe zuständig, doch als die Männer, Frauen und Kinder
mit Sack und Pack bei mir ankamen hatten sie meist keine Hände mehr für die
Banane, geschweige denn die Flasche Wasser frei. Also hingen eine weitere
Helferin und ich mit Banane und Wasserflasche bewaffnet über dem Biertisch und
schoben diese in Jackentaschen, Rucksäcke oder drückten sie den Kleinsten der
Familien in die Hände. Bei einem Blick aus dem Zelt musste ich feststellen,
dass die Schlange der Hungrigen wahrscheinlich fast 100 Meter weit aus dem Zelt
hinausragte und ich hatte Sorge, dass nicht genug für alle da sein würde.
Drei
Stunden schien der Andrang immer noch kaum ein Ende zu finden, doch das Essen ging
glücklicherweise nicht aus und so bekam jeder Etwas und für die kleinen Zwerge
gab es ein Fläschchen und eine frische Windel. Ich wickelte teilweise nur
wenige Wochen alte Babys und die Frauen waren kaum älter als ich. Einige werden
ihre Neugeborenen wohl auf der Flucht geboren haben – für mich fast
unvorstellbar.
Es
wurde langsam dämmrig und ich war müde von dem Tag. Die körperliche Tätigkeit
war nicht sonderlich anstrengend gewesen, doch die zahlreichen Eindrücke und
Erfahrungen hatten mich erschöpft. Deshalb verabschiedete ich mich bei den
Helfern und Helferinnen und machte mich auf den Weg zu meinem Auto, als mich
eine Frau mit einem kleinen Mädchen aufhielt. Die Mutter und ihre Tochter waren
aus dem Iran geflohen und seit zwei Wochen unterwegs. Die Kleine trug eine
komplett zerrissene Hose und die Schuhsolen ihrer Schuhe waren nicht mehr
vorhanden - natürlich bin ich nicht gefahren. Das Kleiderzelt hatte nochmal
geöffnet und die Menschen drängten sich dicht an den umgrenzenden Zaun. Ich
schlängelte mich in den Kindercontainer und suchte eine Hose und neue Schuhe
für die Kleine. Dabei blieb es natürlich nicht, denn immer wieder wurde ich um
Hilfe gebeten und konnte diese nicht ablehnen. Nach zwei weiteren Stunden saß
ich dann wirklich im Auto und machte mich auf den Weg zurück nach Passau.
Ich
hoffe sehr, dass jeder dieser Menschen bald an dem Ort ankommt, an dem er
bleiben darf, damit ihrem Leben endlich ein Stück Normalität und Sicherheit zuteil wird. Ein Privileg, mit dem ich aufgewachsen bin und das ich jeden Tag
genießen darf.
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