Dienstag, 26. Januar 2016

Wenn Integration hungrig macht - Alice Eindrücke zum Welcome Dinner Passau

Es ist der 15. Januar, 18 Uhr und nach und nach strömen etwa 75 Leute in das Innbräu. Ich stehe an der Eingangstür des Restaurants und empfange nervös die Gäste. Hoffentlich geht alles gut... Ich schüttele viele Hände und blicke in fremde, aber lächelnde Gesichter. Ich freue mich auf den Abend!

Erst war es nur eine Idee, die uns Tizi vor einigen Wochen vorgestellte. Sie hatte von einem "Welcome Dinner" in München gehört, bei dem es darum geht Geflüchtete zu sich nach Hause einzuladen und mit ihnen zu kochen. Schnell war uns klar - dieses Konzept gehört nach Passau!

Ein Termin war mehr oder weniger schnell gefunden, aber dann kamen genauso schnell einige Sorgen. Würden sich überhaupt genug Leute für eine solche Art Veranstaltung interessieren? Wie sollten wir die Geflüchteten darauf aufmerksam machen? 



Zu meiner Erleichterung kommen die ersten Anmeldungen und Interessenbekundungen sehr schnell und zahlreich. Nur der Kontakt zu den Flüchtlingsunterkünften gestaltet sich schwieriger, da die Adressen der Unterkünfte durch die zahlreichen Brandanschläge im letzten Jahr so gut es geht unter Verschluss gehalten werden. Die Koordinatorin des "eigentlichen" Welcome Dinners hatte zum Glück einen guten Kontakt zu einer Unterkunft im Kreis Passau und aus vier Zusagen ihrerseits wurden, zehn, dann vierzehn und am 15. Januar um kurz nach 18 Uhr begrüßt Eva uns lachend mit einem, "...und jetzt sind es 17!". Aus einem zweiten Kontakt heraus sollten auch einige Frauen eingeladen werden, die viel für ihre Familien leisten, aber nur wenig Möglichkeiten haben sich mal eine Auszeit zu gönnen. Von den eingeladenen sieben Frauen dürfen letztendlich leider nur vier kommen und eine ausschließlich in Begleitung ihres Schwagers. Ich frage mich, ob sich diese Frauen darüber ärgern oder ob sie ein solches Verbot überhaupt nicht hinterfragen? Im Laufe des Abends komme ich dann mit einer jungen Iranerin ins Gespräch. Ich spreche sie auf die "Ausgehverbote" an und sie bestätigt mir, was ich bereits vermutete. Die Frauen werden mit solch strengen Regeln erzogen, genauso wie ihre Generationen davor. Sie kennen kein anderes Leben und darum vermisst es ein Großteil auch nicht. Doch Derya* kann diese Unterwürfigkeit nicht nachvollziehen. Sie sagt mir, dass sie sich im Umgang mit syrischen oder afghanischen Frauen schwer tut, da viele von ihnen in diesen streng konservativen Strukturen leben und diese zudem verteidigen. Sie erzählt mir außerdem, dass sich die Frauenkultur im Iran stark gewandelt hat in den letzten Jahren und dass zum Beispiel der prozentuale Anteil an studierenden Frauen iranischer Universitäten inzwischen bei fast 70% liegt. Ich bin beeindruckt und erstaunt über diese Information und ertappe mich dabei, wie ich die Region des Mittleren und Nahen Osten in einen Topf geschmissen habe und schneller Stereotypen im Kopf hatte, als beabsichtigt.



Wir sehen täglich Bilder in den Medien von einer Masse an Menschen und man teilt ihnen eine sehr ähnliche Lebensgeschichte zu. An diesem Abend zeigt sich erneut deutlich, wie undifferenziert wir teilweise diesen Menschen begegnen. Sie kommen aus komplett unterschiedlichen und eigenständigen Ländern. Es leben dort studierte und emanzipierten Frauen und einen Staat weiter müssen sie noch vehement für ihre Rechte einstehen.
Jeder dieser Menschen hat eine individuelle Geschichte zu erzählen und ich bin an diesem Abend glücklich ein paar wenige davon hören zu dürfen.


Wir von EinBlick sagen Danke!



*Name geändert


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