Mittwoch, 4. Mai 2016

Zu Gast bei Iss mal anders

An einem warmen Samstagnachmittag betrete ich ein großes Gebäude etwas außerhalb von Passau. Draußen scheint die Sonne, die Vögel zwitschern, es ist endlich Frühling geworden. Kühles, künstliches Licht begrüßt mich. Eher nicht so mein Ding. Doch ich versuche mir nicht zu schnell ein Urteil zu bilden, schließlich werde ich hier heute noch zahlreiche Köstlichkeiten verspeisen. Ich bin etwas zu spät, also hat Moaead, unser heutiger Koch, bereits mit seinem Vortrag über seine Heimat Syrien angefangen. Moaead ist 28 Jahre alt und kommt aus der Stadt Homs im Westen des Landes.  Erst vor kurzem hat er seine offizielle Arbeitserlaubnis erhalten und kann nun einen Deutsch-Intensivkurs besuchen. Trotzdem bin ich im ersten Moment überrascht. Moaead versteht uns alle problemlos und kann sich selbst einwandfrei ausdrücken. Wenn er doch einmal ins Stocken kommt, ergänzt ihn Marlies von Iss mal anders. Sie zeigt uns auch viele Bilder von Syrien in einer Slideshow. In den nächsten Stunden werden wir lernen eine typische syrische Mahlzeit zuzubereiten. Noch habe ich keine Ahnung, was wir kochen. Hunger habe ich aber mitgebracht.


Den Kochkurs von Iss mal anders besuchen Menschen verschiedensten Alters und Geschlechts. Paradoxerweise hatte ich in meiner Vorstellung an Studenten gedacht, nicht aber an Familienväter oder ältere Damen. Marlies erzählt uns von den vielen vergangen Kochkursen, die sie betreut hat. Ihr Lieblingsgericht waren afrikanische Samosa (gefüllte Teigtaschen), gekocht von einer Hausfrau und zehnfachen Mutter, die ihr Handwerk wie keine andere versteht. Jeder Kurs bei Iss mal anders steht unter einer anderen Nationalität, sodass für wirklich jeden Geschmack etwas dabei ist. Wer allerdings italienische Pasta oder deutsche Hausmannskost bevorzugt ist hier falsch. Exotisch und anders soll es sein, so wie es der Name der Gruppe schon besagt.


Unsere Gruppe kocht an diesem Nachmittag einen Hauptgang bestehend aus einem Hühnereintopf, rotem Bulgur und Salat, eine Art Tzatziki mit viel Knoblauch und Gurke. Zur Nachspeise gibt es Kokospudding mit einer Art Keksfüllung, der wahrhaft himmlisch schmeckt. Ohne Frage kommt man beim schneiden, braten und rühren schneller ins Gespräch, als in anderen Situationen. Moaead ist ein geduldiger Chefkoch, erklärt uns immer wieder die nächsten Schritte im Rezept und schenkt uns mehr als nur ein nettes Lächeln. Das einzige was ihm schwer fällt, ist nicht für uns zu kochen, sodern mit uns. Immer wieder muss Marlies ihn daran erinnern: "Hey du bist heute der Chef, vergiss das nicht!", ruft sie ihm dann zu.


Nach getaner Arbeit sitzen wir schließlich alle am gedeckten Tisch. Das Essen riecht durch die vielen Gewürze nach Urlaub und schmeckt auch so. Wir alle genießen die vielen leckeren Gerichte und kommen aus dem Lob für Moaead gar nicht mehr heraus. Dieser lächelt nur verschmitzt und tut alle Komplimente lässig mit der Hand ab. Mein Highlight: Der Kokos-Keks-Pudding. Ein Gedicht!



Alles alles in allem war der Nachmittag eine wirklich tolle Erfahrung. Man lernt neue Menschen kennen, erfährt etwas über ihr Leben, man kocht und isst gemeinsam. Im einem sind wir uns alle einig gewesen, egal welchen Alters oder welcher Herkunft: gutes Essen verbindet!

Für mehr Infos:
Iss mal anders/Facebook 

Die nächsten Termine:
6.05 Godard (Kongolesisch)
7.05 Monir (Afghanisch)
21.05 Ahad (Afghanisch)
4.06 Mouhamed (Senegalesisch)
11.06 Dijwar (Syrisch) 

Mittwoch, 3. Februar 2016

Nafias Taufe

Nafia* kommt im Sommer 2015 zur Welt. Es ist das erste Flüchtlingsbaby, dass in meiner Heimatgemeinde geboren wird. Wir kennen die junge Familie seit ihrem Einzug ein paar Häuser weiter von meinem Elternhaus. Oft sitzen wir im Sommer zusammen im Garten und sprechen über Vergangenes, aber vor allem über die Zukunft. Der Ehemann Amir* hat mithilfe seines „Paten“ inzwischen eine Arbeit gefunden, als Gehilfe des Hausmeisters der örtlichen Grundschule.Nun kann ich wenigstens alleine für meine Familie sorgen“, erzählt er an einem dieser Nachmittage voller Stolz und Zuversicht.

Vor zwei Wochen dann liegt einen Brief in unserem Briefkasten:



Es sind viel mehr Menschen da, als ich erwartet hätte. Unsere Kirche ist fast voll und alle stehen dicht um das Taufbecken. In der Menge erkenne ich die afghanische Familie, die mit Amir und Imani* in einem Haus wohnt und ich freue mich sehr, dass sie an einer katholischen Taufe teilhaben wollen.



In einer lockeren Atmosphäre, mit Gesängen eines Gospelchores und einer persönlichen Trommeleinlage von Amir zu Ehren seiner Tochter, ist es ein Kirchenbesuch, wie ich hin vorher noch nie erlebt habe. 



Die kleine Nafia macht während der gesamten Zeremonie keinen einzigen Mucks und als der Pfarrer die Kleine mit dem Weihwasser beträufelt lacht er laut auf, „Ich bin mir sicher, dass durch ihre dichten Haare kein einziger Tropfen an ihren Kopf gedrungen ist.“.






Anschließend wird selbstverständlich gefeiert. Jeder hat etwas zu Essen mitgebracht und die jüngeren Kinder reißen sich darum den zuckersüßen Ehrengast auf dem Arm zu halten. Für mich war es ein ganz besonderer Vormittag und ich hoffe, dass diese kleine afrikanische Familie bei uns ein neues, aber vor allem ein friedliches, zu Hause zu finden.




*Namen geändert

Samstag, 30. Januar 2016

Welcome Dinner Passau - Die Impressionen des Abends

Welcome Dinner Passau - Auftakt

Die Kamera war auch dabei - hier einige Impressionen vom 15. Januar!Take a look at some impressions from the Welcome Dinner!

Posted by EinBlick on Samstag, 30. Januar 2016

Dienstag, 26. Januar 2016

Wenn Integration hungrig macht - Alice Eindrücke zum Welcome Dinner Passau

Es ist der 15. Januar, 18 Uhr und nach und nach strömen etwa 75 Leute in das Innbräu. Ich stehe an der Eingangstür des Restaurants und empfange nervös die Gäste. Hoffentlich geht alles gut... Ich schüttele viele Hände und blicke in fremde, aber lächelnde Gesichter. Ich freue mich auf den Abend!

Erst war es nur eine Idee, die uns Tizi vor einigen Wochen vorgestellte. Sie hatte von einem "Welcome Dinner" in München gehört, bei dem es darum geht Geflüchtete zu sich nach Hause einzuladen und mit ihnen zu kochen. Schnell war uns klar - dieses Konzept gehört nach Passau!

Ein Termin war mehr oder weniger schnell gefunden, aber dann kamen genauso schnell einige Sorgen. Würden sich überhaupt genug Leute für eine solche Art Veranstaltung interessieren? Wie sollten wir die Geflüchteten darauf aufmerksam machen? 



Zu meiner Erleichterung kommen die ersten Anmeldungen und Interessenbekundungen sehr schnell und zahlreich. Nur der Kontakt zu den Flüchtlingsunterkünften gestaltet sich schwieriger, da die Adressen der Unterkünfte durch die zahlreichen Brandanschläge im letzten Jahr so gut es geht unter Verschluss gehalten werden. Die Koordinatorin des "eigentlichen" Welcome Dinners hatte zum Glück einen guten Kontakt zu einer Unterkunft im Kreis Passau und aus vier Zusagen ihrerseits wurden, zehn, dann vierzehn und am 15. Januar um kurz nach 18 Uhr begrüßt Eva uns lachend mit einem, "...und jetzt sind es 17!". Aus einem zweiten Kontakt heraus sollten auch einige Frauen eingeladen werden, die viel für ihre Familien leisten, aber nur wenig Möglichkeiten haben sich mal eine Auszeit zu gönnen. Von den eingeladenen sieben Frauen dürfen letztendlich leider nur vier kommen und eine ausschließlich in Begleitung ihres Schwagers. Ich frage mich, ob sich diese Frauen darüber ärgern oder ob sie ein solches Verbot überhaupt nicht hinterfragen? Im Laufe des Abends komme ich dann mit einer jungen Iranerin ins Gespräch. Ich spreche sie auf die "Ausgehverbote" an und sie bestätigt mir, was ich bereits vermutete. Die Frauen werden mit solch strengen Regeln erzogen, genauso wie ihre Generationen davor. Sie kennen kein anderes Leben und darum vermisst es ein Großteil auch nicht. Doch Derya* kann diese Unterwürfigkeit nicht nachvollziehen. Sie sagt mir, dass sie sich im Umgang mit syrischen oder afghanischen Frauen schwer tut, da viele von ihnen in diesen streng konservativen Strukturen leben und diese zudem verteidigen. Sie erzählt mir außerdem, dass sich die Frauenkultur im Iran stark gewandelt hat in den letzten Jahren und dass zum Beispiel der prozentuale Anteil an studierenden Frauen iranischer Universitäten inzwischen bei fast 70% liegt. Ich bin beeindruckt und erstaunt über diese Information und ertappe mich dabei, wie ich die Region des Mittleren und Nahen Osten in einen Topf geschmissen habe und schneller Stereotypen im Kopf hatte, als beabsichtigt.



Wir sehen täglich Bilder in den Medien von einer Masse an Menschen und man teilt ihnen eine sehr ähnliche Lebensgeschichte zu. An diesem Abend zeigt sich erneut deutlich, wie undifferenziert wir teilweise diesen Menschen begegnen. Sie kommen aus komplett unterschiedlichen und eigenständigen Ländern. Es leben dort studierte und emanzipierten Frauen und einen Staat weiter müssen sie noch vehement für ihre Rechte einstehen.
Jeder dieser Menschen hat eine individuelle Geschichte zu erzählen und ich bin an diesem Abend glücklich ein paar wenige davon hören zu dürfen.


Wir von EinBlick sagen Danke!



*Name geändert


Montag, 25. Januar 2016

Wenn Integration hungrig macht - Tizianas Eindrücke vom Welcome Dinner Passau

Am Tag des Welcome Dinners war ich total aufgeregt. Das Wichtigste für uns war es, dass alle einen entspannten und schönen Abend haben und so verflog die erste Nervosität unglaublich schnell. Ich begrüßte die ersten Gäste, jeder fand seinen Platz und ich hörte die ersten Gespräche zwischen Deutschen und Geflüchteten. „Puh“, das wäre also geschafft, dachte ich. 

Neben mir saß der Flüchtling Dildar. Dildar ist Journalist und floh im Dezember mit seinem Bruder aus Syrien. Er ist noch ganz neu in Deutschland, spricht kein Deutsch und nur gebrochen Englisch. Umso schöner und überraschter war ich, dass er den Weg zu unserem Dinner gefunden hat. Immer wieder holte er sein Handy hervor und zeigte uns stolz Beiträge, die er für das syrische Fernsehen gedreht hatte. Insbesondere für mich als Studentin der Kommunikationswissenschaften war es unglaublich spannend, was Dildar zu erzählen hatte. Für seine Aufträge begab er sich in Lebensgefahr und das für eine Bezahlung von gerade einmal 20 US-Dollar. Insgesamt sechs Mal wurde er wegen seiner journalistischen Tätigkeiten festgenommen und eingesperrt. Irgendwann wurde die Situation zuhause in Syrien dann zu brenzlig, sein Vater riet ihm zu fliehen. Zurück ließ Dildar nicht nur seine Eltern, sondern auch seinen kleinen Bruder, der ihm alles bedeutet. Er zeigt mir das letzte Foto, dass die beiden kurz vor seiner Abreise gemacht haben. Ich muss schlucken, weiß nicht was ich sagen soll.




Dildars Geschichte ist nur eine von vielen an diesem Abend. Wir alle sind direkt mit dem Schicksal dieser Menschen konfrontiert. Wir lachen und staunen gemeinsam und manchmal sind wir sprachlos. Für mich (und ich hoffe auch für unsere Gäste) war es ein wundervolles Abendessen, dass mich so schnell nicht loslassen wird.






Sonntag, 24. Januar 2016

Wenn Integration hungrig macht - Alinas Eindrücke zum Welcome Dinner Passau

Eigentlich hat die Idee mit dem Welcome Dinner ja ein bisschen was von einem Blind Date. Man arrangiert ein Treffen mit jemandem, den man nicht kennt und von dem man nicht wirklich weiß, ob man ihn denn überhaupt kennen will. Man nimmt aber das Risiko in Kauf, weil man optimistisch gestimmt ist und ziemlich sicher glaubt, dass das Kennenlernen des Anderen eine Bereicherung für einen selbst sein kann. — Und das ist es meist auch. Meine Erfahrung mit dem Welcome Dinner Auftakt war nicht anders. Skepsis und Vorfreude mischen sich in den Blicken der Gäste, als sie zu Beginn des Abends im Innbräu eintreffen und nach ihren Plätzen suchen. Doch die Atmosphäre ist entspannt und es dauert nicht lange, bis sich das friedliche Wirtshausgemurmel einstellt und Deutsche und Geflüchtete sich in angeregte Gespräche verwickeln. 


Ein kleiner Toast auf einen großen Abend 

Ich teile meinen Tisch mit meiner Schwester, zwei Syrern, zwei Libanesen und einem Deutschen. Die jungen Männer stecken alle in ihren Mittzwanzigern und sind damit ungefähr so alt wie ich. Unsere Vorstellungsrunde verläuft vielleicht ein bisschen 08/15 mäßig, aber was später daraus entsteht, ist eine Konversation, wie sie unter guten Freunden stattfinden könnte. Wir reden über unser Leben, erzählen uns Anekdoten und machen Witze. Genau wie wir in Deutschland, haben diese jungen Männer im Nahen Osten ihr Leben in vollen Zügen genossen. Sie studierten, machten Ausbildungen, hatten Nebenjobs als Barkeeper oder einen Barber Shop. Der Eine hat seine Arme tätowiert, der Andere seine Haare zu einem Dutt zusammengebunden. Die Entfernung unserer Heimatländer ist so groß, die Lebensweisen aber doch so ähnlich. 

Der einzig wirklich große Unterschied zu uns ist, dass man sie aus diesem Leben so jäh herausgerissen hat. Wir sprechen aber nicht viel über ihre Flucht und das, was sie hinter sich gelassen haben. Wir reden mehr über ihre Zukunft und das, was vor ihnen liegt. Und es ist bemerkenswert, wie positiv und erwartungsvoll diese jungen Menschen ihrem Neustart in Deutschland entgegenblicken. Diese Männer beweisen, dass man aus jeder noch so furchtbaren Situation das Beste machen kann, wenn man den Willen dazu hat. Und diesen Willen konnte ihnen selbst der Krieg in ihrer Heimat nicht nehmen.


Ich glaube, ich kann für alle Beteiligten sprechen, wenn ich sage, dass wir mit einem guten Gefühl nachhause gegangen sind und vor allem eins aus diesem großen Blind Date mitnehmen konnten: Wie inspirierend es ist, sich auf neue Menschen einzulassen und wie bereichernd Gespräche mit ihnen sein können.