Der Polizist und ich durchqueren die Halle, ich vermeide Blickkontakt aus Angst, die Flüchtlinge könnten sich begafft fühlen. Schließlich erreichen wir eine Theke und mein Begleiter kehrt zurück an seinen Posten. Ein Geruch aus Eintopf und Chai steigt mir in die Nase und ich begebe suche mir einen Weg in die Küche. Die Essensausgabe ist in vollem Gange und es gibt keine Zeit, sich mit langen Erklärungen aufzuhalten. Ich bekomme Handschuhe und Warnweste und ich werde dem Team am Getränkeausschank zugeteilt.
Und dann stehe ich einer nicht endenden Schlange von hungrigen Flüchtlingen gegenüber. Vom grauen Mann im Anzug bis hin zum wenige Wochen alten Säugling auf dem Arm seiner Mutter - plötzlich hat die Krise für mich ein Gesicht. Und dieses Gesicht strahlt vor allem eines aus: Dankbarkeit. Doch hinter den dunklen Augen liegt oft auch ein anderer Ausdruck, den ich nicht definieren kann, der mich aber erschaudern lässt. Die Blicke der Menschen vor der Theke sind gezeichnet von Erinnerungen, die ich mir wahrscheinlich nicht einmal vorzustellen vermag und ich versuche ihnen so positiv und optimistisch wie möglich zu begegnen.
Aber es gelingt mir nicht. Ich muss eine Pause einlegen, gehe hinter an die Spüle, wo mich keiner sieht und atme ein paar Mal tief durch. Wenn ich wüsste, wie sich das anfühlt, würde ich sagen, meine Seele tut weh. Später an diesem Abend werde ich mit meiner Mutter telefonieren und ihr davon erzählen. Ich werde ihr sagen, dass ich nicht begreife, warum mich ein so banales Erlebnis, wie eine Essensausgabe so tief berühren konnte. Wie immer wird sie die richtigen Worte finden und es mir erklären können. Jede einzelne Begegnung ergreift - wenn auch vielleicht nur für einen kurzen Moment. Ich stelle mir vor, woher sie kommen, was sie zurückgelassen haben und wohin sie ihr Weg noch führt. Auch meine Zukunft ist ungewiss, aber auf angenehme Art und Weise. Ich wiege mich in einer inneren Sicherheit, die statt Zukunftsangst ein Lass-Dich-Überraschen bereithält. Das Leid der Massen steht nun nicht mehr nur in der Zeitung, es steht mir gegenüber. Und es fällt schwer, das zu verarbeiten.
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